Es gibt Situationen, da ist es von Vorteil, wenn man schon etwas älter ist. Man erinnert sich an so manches, was dem Normalbürger heute überhaupt nicht mehr auffällt. Daher kann ich sagen, dass die in den vier Artikeln beschriebenen Zustände insofern unvollständig sind, da hier das jeweilige Kind schon im Brunnen liegt. Um zu verstehen, wie es dort hineingekommen ist, muss man viel früher ansetzen, etwa um 1950.
Anzumerken ist, dass Frankreich und Großbritannien in der Betrachtung völlig fehlen.
Alle diese Länder haben nach dem Krieg in fast regelmäßigen Abständen ihre Währungen abgewertet, also mehr ausgegeben, als sie hätten sollen. Die Leute, die den Euro konzipiert haben, wussten dies natürlich. Doch haben sie es offensichtlich, aus welchen Gründen auch immer, nicht berücksichtigt. Woher man das Wissen nahm, dass es schon gut gehen werde, war mir damals und ist mit bis heute ein Rätsel.
Die Crux ist, dass die deutsche Währung mehrmals aufgewertet wurde. Im Jahr 1955 begann ich eine Lehre in einer englischen Firma. Zu dieser Zeit stand das englische Pfund bei etwa 12 DM, in den 60er Jahren stand es dann noch bei etwa 4,75 DM. Dem französischen Franc ging es nicht besser. Er wurde einmal reformiert, um wieder auf das Verhältnis 1:1 zu kommen, aber schon nach einigen Jahren wurde ein 1 Franc nur noch mit 0,50 DM gewertet. Die Mittelmeer-Urlaubsländer werteten immer mehr ab, die Deutsche Mark wertet auf – der Urlaub wurde immer günstiger. Die Menschen aus dem Süden Europas wurden nach Deutschland „eingeladen” oder gelockt. Man nannte sie Gastarbeiter. Das war die Ausgangslage einige Zeit vor der Einführung des Euro. Das Szenario zeichne ich aus der Sicht eines durch Wirtschaftsprobleme nicht geplagten Bürgers. In den Jahren darauf hatte sich an dieser Lage nichts geändert.
Allen diesen Ländern nun eine Einheitswährung zu verpassen, ohne entsprechende Sicherungen einzubauen, war schlicht und einfach Unsinn und konnte nur zu dem führen, was heute überall zu Tage tritt. Die viel gerühmten Väter der EU haben ihre Hausaufgaben auf diesem Gebiet nicht gemacht. Dabei will ich nicht an den vielen Vorteilen eines geeinten Europas herumzumäkeln.
Es gibt übrigens eine Geschichte zu diesem Ablauf der Dinge. Bei den Verhandlungen nach Ende des Krieges gab es viele Länder, die Reparationen von Deutschland forderten. Da soll es einen findigen Wirtschaftswissenschaftler gegeben haben, der diese Forderungen mit der Begründung ablehnte, dass nichts zu holen sei und Deutschland alles was benötigt wird auch liefert. Durch regelmäßige Abwertung der eigenen Währung ließen sich dann die Kosten durchaus in Grenzen halten. Auch so kann man das Wirtschaftswunder sehen!
Als Fazit bleibt für Deutschland eigentlich nur das Gegenteil dessen, was heute passiert. Schäubles schwarze Null ist Gift für das Volk und die EU. Um mit den anderen EU-Ländern im Gleichklang zu leben, sollten wir unser Tempo mal ein wenig drosseln. Wir sollten weniger erfolgreich sein, früher in Rente gehen, die Renten erhöhen (Ja, ich bin Rentner!) und das Geld in die Urlaubsländer tragen. Wir haben jetzt 50 Jahre lang für Europa produziert, da können wir uns wohl auch mal ein wenig ausruhen und alle anderen auf Augenhöhe herankommen lassen. Ich glaube jedenfalls nicht, dass Herr Schäuble so viel Geld sparen kann, dass es für die ganze EU reicht und selbst wenn „Grexit” jetzt verhindert wird, wird das Problem nur weitergeschoben. An der beschriebenen Lage dürfte sich dabei nicht viel ändern.
Redaktion meint
Artikel vom 07.01.2015 „Was ist die EU sich selbst wert?“ – Thorsten Knuf (FR)
Leserbrief vom 07.01.2015